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Samstag, 6. Juni 2009
urban future SF
olfetreck, 03:24h
Diese Stadt hat wirklich die allerbesten Voraussetzungen: Eine schmale Halbinsel, zur Linken der Ozean, zur Rechten eine riesige Bucht, eine dramatische Topographie mit vielen Aussichten zu allen Seiten. Mir fällt spontan keine vergleichbare Lage ein, wo Wasser (Ozean) und Stadt so eng miteinander verwoben sind. Mitten in einem innerstädtischen Quartier bemerkte Theo einen Duft wie am Strand. Er hatte recht.

Wenn Urbanisierung die bauliche Verkrustung von Natur ist, dann ist sie hier wie in so vielen anderen Großstädten der Welt sehr weit fortgeschritten. Wenn Urbanisierung aber auch bedeutet, der Natur eine Idee entgegen zu setzen, dann ist San Francisco megaurban. Es grenzt schon an Absurdität, in welch brachialer Weise das hispanische Straßen- grid über die 42 Hügel der Peninsula geschlagen wurde. Manche Straßen sind derart steil, dass sie zu Fuß kaum zu bewältigen sind. Das ist cool.
Die Cable Car dient zwar nur noch der touristischen Attraktion, so wie fast ganz San Francisco auf vintage look getrimmt ist, ist aber in ihrem archaischen Betrieb ein großes Vergnügen. Wie die Gondoliere in Venedig verrichten die Führer der Cable Car ihre kryptischen Tätigkeiten in ihrer ganz eigenen stoischen und wahrscheinlich seit Generationen tradierten Art. Über mehrere mannshohe Hebel werden die Wagen immer wieder in die dauernd unter dem Asphalt dröhnenden Seile ein- und ausgehängt. Mit großer Geste werden die Bremsen an jeder Station eingeschraubt und eigentümlicher Weise nicht mehr gelöst. Ich werde das noch rausfinden.

Interessanterweise wurde die berühmte cable car, die in Manier einer Seilbahn die steilen Straßen erklimmt, nicht gebaut, um den Bedarf an Verkehr zu decken, sondern um die weiter oben liegenden Lagen zu "developen" und dann teuer zu verkaufen. Ein gutes Beispiel innovativer Valorisierung von real estate.
Wie wahrscheinlich die meisten Städte der Welt ist auch SF von tausend kleineren bis mittleren Reihenhäusern überzogen. Wir nennen das in Berlin jetzt ja townhouses und finden das sehr innovativ. Ich halte das schlicht für die beste Methode, den privaten Immobilienmarkt anzuheizen. Was wir heute bei unserer sehr großen Schleife durch die Stadt so sehen konnten, scheint alles in besten und meistens sehr wohlhabenden Händen zu sein. Glaubt man den diversen surveys im Netz, so scheint der Immobilienmarkt hier vergleichsweise intakt zu sein.
Das muss hier für Einfamilienhausarchitekten das absolute Paradies sein. Tatsächlich findet man immer wieder echte Perlen dazwischen. Das Rendezvous des bay oder bow windows mit dem spanischen Kolonialstil ist zwar gewöhnungsbedürftig birgt aber unendliche Möglichkeiten von Variationen.

Giebel

bay und bow windows mal in weiß
Die aufregende Topographie sorgt für spannende Fluchten. Pragmatisch ist der städtebauliche Höhencode. Im Tal und am Hang zwei- bis dreigeschossig, damit alle was von der Aussicht haben; oben auf den Gipfeln, wo es niemanden mehr stört, die Hochhäuser. Das verstärkt die dramatischen Höhenschwünge noch zusätzlich.

eine von 42 Stadtkronen
Als ich mir gestern auf Youtube die Verfolgungsjagd von Bullitt anschaute, meinte ich zu erkennen, dass seinerzeit fast alle Häuser weiß oder hellgrau waren. Heute sind sie leider bunt. Das wirkt mindestens so aufdringlich wie die Batik-T-Shirts der allgegenwärtigen Huldigungen des summer of love. Schade. Und überhaupt. Eigentlich habe ich es ja nicht so mit Gentrifikation, aber hier ist die Aushöhlung sozialer Substanz doch allgegenwärtig. Der Anteil der schwarzen Bevölkerung ist von 20% 1970 auf 7% 2005 gesunken. Gleichzeitig haben 78K die Stadt verlassen, weil sie schlicht zu teuer wurde oder aber weniger qualifizierte, industrielle Jobs von topqualifizierten R&D Jobs verdrängt wurden. Das ist unter standortpolitischen Gesichtspunkten sicher richtig wie grausam. Vor diesem Hintergrund wirkt die Feier der Hippie-Kultur in Haight Ashbury als immer noch gegenwärtige Form von "alternativer Gegenkultur" (O-Ton Wikipedia) etwas merkwürdig. Das ist insofern bemerkenswert, da das Stadtmarketing von SF den Kontrast zwischen bürgerlicher Authenzität hier und der dekandenten Modernisierung in Los Angeles als USP stilisiert. Ansonsten verläuft die Gentrifizierung hier analog zu fast allen Großstädten der ersten Welt ab: Warehouses, Industriebrachen und innerstädtische Armenviertel werden entwickelt; die ehemalige Bevölkerungen verdrängt. Kein Wunder, dass hier alle dermaßen viel Zaster haben. Zählt man die Häuschen zusammen, kommt man wohl auf eine gigantische Summe.

Alle Häuser - auch die brandneuen - sind übrigens aus Holz und ohne eine einzige Faser Wärmedämmung gebaut. Wenn das Thema auch langweilt - ich finde das einfach shocking. Ich werden Energieberater in San Francisco!

"Darling House", Neutra in SF

Wenn Urbanisierung die bauliche Verkrustung von Natur ist, dann ist sie hier wie in so vielen anderen Großstädten der Welt sehr weit fortgeschritten. Wenn Urbanisierung aber auch bedeutet, der Natur eine Idee entgegen zu setzen, dann ist San Francisco megaurban. Es grenzt schon an Absurdität, in welch brachialer Weise das hispanische Straßen- grid über die 42 Hügel der Peninsula geschlagen wurde. Manche Straßen sind derart steil, dass sie zu Fuß kaum zu bewältigen sind. Das ist cool.
Die Cable Car dient zwar nur noch der touristischen Attraktion, so wie fast ganz San Francisco auf vintage look getrimmt ist, ist aber in ihrem archaischen Betrieb ein großes Vergnügen. Wie die Gondoliere in Venedig verrichten die Führer der Cable Car ihre kryptischen Tätigkeiten in ihrer ganz eigenen stoischen und wahrscheinlich seit Generationen tradierten Art. Über mehrere mannshohe Hebel werden die Wagen immer wieder in die dauernd unter dem Asphalt dröhnenden Seile ein- und ausgehängt. Mit großer Geste werden die Bremsen an jeder Station eingeschraubt und eigentümlicher Weise nicht mehr gelöst. Ich werde das noch rausfinden.

Interessanterweise wurde die berühmte cable car, die in Manier einer Seilbahn die steilen Straßen erklimmt, nicht gebaut, um den Bedarf an Verkehr zu decken, sondern um die weiter oben liegenden Lagen zu "developen" und dann teuer zu verkaufen. Ein gutes Beispiel innovativer Valorisierung von real estate.
Wie wahrscheinlich die meisten Städte der Welt ist auch SF von tausend kleineren bis mittleren Reihenhäusern überzogen. Wir nennen das in Berlin jetzt ja townhouses und finden das sehr innovativ. Ich halte das schlicht für die beste Methode, den privaten Immobilienmarkt anzuheizen. Was wir heute bei unserer sehr großen Schleife durch die Stadt so sehen konnten, scheint alles in besten und meistens sehr wohlhabenden Händen zu sein. Glaubt man den diversen surveys im Netz, so scheint der Immobilienmarkt hier vergleichsweise intakt zu sein.
Das muss hier für Einfamilienhausarchitekten das absolute Paradies sein. Tatsächlich findet man immer wieder echte Perlen dazwischen. Das Rendezvous des bay oder bow windows mit dem spanischen Kolonialstil ist zwar gewöhnungsbedürftig birgt aber unendliche Möglichkeiten von Variationen.

Giebel

bay und bow windows mal in weiß
Die aufregende Topographie sorgt für spannende Fluchten. Pragmatisch ist der städtebauliche Höhencode. Im Tal und am Hang zwei- bis dreigeschossig, damit alle was von der Aussicht haben; oben auf den Gipfeln, wo es niemanden mehr stört, die Hochhäuser. Das verstärkt die dramatischen Höhenschwünge noch zusätzlich.

eine von 42 Stadtkronen
Als ich mir gestern auf Youtube die Verfolgungsjagd von Bullitt anschaute, meinte ich zu erkennen, dass seinerzeit fast alle Häuser weiß oder hellgrau waren. Heute sind sie leider bunt. Das wirkt mindestens so aufdringlich wie die Batik-T-Shirts der allgegenwärtigen Huldigungen des summer of love. Schade. Und überhaupt. Eigentlich habe ich es ja nicht so mit Gentrifikation, aber hier ist die Aushöhlung sozialer Substanz doch allgegenwärtig. Der Anteil der schwarzen Bevölkerung ist von 20% 1970 auf 7% 2005 gesunken. Gleichzeitig haben 78K die Stadt verlassen, weil sie schlicht zu teuer wurde oder aber weniger qualifizierte, industrielle Jobs von topqualifizierten R&D Jobs verdrängt wurden. Das ist unter standortpolitischen Gesichtspunkten sicher richtig wie grausam. Vor diesem Hintergrund wirkt die Feier der Hippie-Kultur in Haight Ashbury als immer noch gegenwärtige Form von "alternativer Gegenkultur" (O-Ton Wikipedia) etwas merkwürdig. Das ist insofern bemerkenswert, da das Stadtmarketing von SF den Kontrast zwischen bürgerlicher Authenzität hier und der dekandenten Modernisierung in Los Angeles als USP stilisiert. Ansonsten verläuft die Gentrifizierung hier analog zu fast allen Großstädten der ersten Welt ab: Warehouses, Industriebrachen und innerstädtische Armenviertel werden entwickelt; die ehemalige Bevölkerungen verdrängt. Kein Wunder, dass hier alle dermaßen viel Zaster haben. Zählt man die Häuschen zusammen, kommt man wohl auf eine gigantische Summe.

Alle Häuser - auch die brandneuen - sind übrigens aus Holz und ohne eine einzige Faser Wärmedämmung gebaut. Wenn das Thema auch langweilt - ich finde das einfach shocking. Ich werden Energieberater in San Francisco!

"Darling House", Neutra in SF
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